Vielleicht hast Du Dir auf
den letzten Seiten schon mal die Frage gestellt, wie aus dem "Nichts"
auf einmal neue Teilchen entstehen können.
Um dies nachvollziehen zu können, gehen wir nun gedanklich ein Experiment
durch, wie es in ähnlicher Weise an einem Teilchenbeschleuniger stattfinden
könnte.
Für
dieses Experiment brauchen wir zwei Teilchen: Ein Elektron und ein dem
Elektron ähnliches Teilchen mit positiver elektrischer Ladung, ein sogenanntes
Positron.
Diese beiden Teilchen mit elektrischer Ladung können bekanntlich in
elektrischen Feldern beschleunigt werden. Unser Ziel ist es nun, die Teilchen
nach einer Beschleunigungsstrecke analog zu einem Linearbeschleuniger zur Kollision
zu bringen, um neue Teilchen zu erzeugen. Dabei werden die Teilchen in getrennten
elektrischen Feldern mit der Spannung U in einem rechten Winkel zueinander beschleunigt
und zur Kollision gebracht.
Nach der Kollision entstehen zwei neue Teilchen. Bei diesen handelt es
sich um ein Proton, welches ein elektrisch positiv geladener Baustein
der Atomkerne ist, sowie um ein negativ geladenes Proton, ein sogenanntes Antiproton.
Diese beiden neu entstehenden Teilchen werden in elektrischen Feldern abgebremst,
wobei man die Spannung mißt,
die benötigt wird, um sie komplett abzubremsen.
Wie Du weißt, wird elektrisch geladenen Teilchen in elektrischen Feldern
Energie zugeführt. Es handelt sich um elektrische Energie, die sich
über die Formel
E = qU
berechnet werden kann.
Nun gilt für die beobachtete Reaktion auch die Dir schon bekannte Energieerhaltung,
so daß es sinnvoll wäre, sich die Energiebilanz der beschriebenen
Reaktion anzuschauen.
Da sowohl Elektron und Positron als auch Proton und Antiproton die gleichen
Massen haben und daher die gesamte Reaktion als symmetrisch angesehen werden
kann, betrachten wir nur die Energiebilanz zwischen dem Elektron und dem Proton.
Das Elektron soll in dem
elektrischen Beschleunigungsfeld mit einer Spannung beschleunigt werden, die
ihm bis zum Zeitpunkt der Kollision eine Bewegungsenergie von 1500 MeV zugeführt
hat. Diese Bewegungsenergie gewinnt das Elektron durch die Umwandlung der
elektrischen Energie.
Nun wird das Proton in einem elektrischen Feld abgebremst und man stellt fest,
daß es ebenfalls nach der Formel E = qU eine Bewegungsenergie von 562,5
MeV hatte.
Nun
stellt sich die Frage:
1500 MeV ist ungleich 562,5 MeV, was ist also mit der restlichen Energie passiert?
Weißt Du eine Antwort?
Hier kommt nun die Masseenergie ins Spiel.
Es fehlen noch 937,5 MeV. Da keine anderen Teilchen in der Reaktion entstehen,
muß das Proton die fehlende Energie gespeichert haben. Und dies geschieht
in Form von Masse. Das Proton hat eine wesentlich größere Masse als
das Elektron, etwa 1900 mal so groß. Diese Masse ist aus der nach der
Reaktion fehlenden Energie gewonnen worden. Das Proton hat also Masseenergie!
Die Formel für die Masseenergie kennst Du vielleicht schon als die berühmte Formel von Einstein:
E = mc2.
Dabei ist c die Lichtgeschwindigkeit und m die Masse des Teilchens. In unserem Falle haben wir es mit der Masse des Protons zu tun, also mp. Die Formel für die Energiegleichung würde in diesem Fall also:
eUe = Ep + mpc2.
Diese Formel ist aber noch
nicht ganz richtig, denn...
Es
kommt eine Frage auf:
Wenn das Proton eine Masse hat, und damit Masseenergie aufweißt, müßte
dann das Elektron, was ja auch eine Masse hatte, nicht ebenfalls Masseenergie
besitzen?
Und in der Tat hat auch das Elektron genauso wie alle anderen Teilchen mit Masse Masseenergie. Beim Elektron beträgt sie 0,5 MeV. Dies bedeutet in der Energiebilanz, daß das Proton Masseenergie hat, die um 0,5 MeV höher ist als bisher berechnet.
Damit lautet die Energiegleichung:
eUe + mec2 = Ep + mpc2
1500 MeV + 0,5 MeV = 562,5 MeV + 938 MeV
Die Energie von Teilchen in Teilchenbeschleunigern setzt sich also aus ihrer Bewegungs- und Masseenergie zusammen.
Du siehst also, daß Energie und Masse äquivalent zueinander sind.
Diese Tatsache, daß man Energie in Masse und Masse in Energie umwandeln
kann, dürfte für Dich neu sein, ist aber so wichtig, daß Du
sie Dir merken solltest!
In einem Detektor werden also unter anderem Teilchen nachgewiesen, die auf diese Weise neu entstehen.
Auf der nächsten Seite Detektoren erfährst Du Näheres zu den Teilchendetektoren, die die eigentlichen Nachweisapparaturen für die Teilchen sind.